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Hochtour auf die Hohe Geige 3394m und Mainzer Höhenweg

14.07.2025

Tag1:
Der kleine Parkplatz entlang der Pitztaler Straße, der für zwei Hütten ausreichen sollte, war, als wir ankamen bis auf den letzten Platz gefüllt. Wir quetschten uns hinter einem Kleinbus entlang der Straße und machten uns bereit für den kurzen Aufstieg. Über einen gut angelegten Weg, der sich idyllisch entlang eines kleinen Bach in die Höhe schraubte, erreichten wir nach etwas mehr als einer Stunde die kleine Hütte. Wir meldeten uns kurz an, erleichterten uns einiger Sachen und gingen dann weiter Richtung Gahwinden. Der Steig nützte das ganze Kar, um sich im weitem Linksbogen diesem Aussichtspunkt der Extraklasse zu nähern. Hier konnte man das ganze Pitztal überblicken. Auf der anderen Talseite thronte die „Königin des Kaunergrats“, die Watzespitze. Auf einer Bank vor einem kleinen Kreuz könnte man auch den Tag verbringen, aber wir hatten ja noch etwas vor.

Gahwinden ist quasi der Beginn des Westgrats. Erst noch harmlos über einem breiten Rücken, kurze Zeit später im gut zu gehenden Blockwerk ging es dem Westgrat entlang nach oben. Die Schwierigkeiten übersteigen dabei nie den ersten Grat. Auf griffigen und meist festen Blöcken steigen wir, immer den einfachsten Weg suchend, höher. Es machte so richtig Spaß und so war es eher unser Puls, der uns zum Pausieren mahnte. 

So kamen wir rasch höher. Auf gut 3000m erreichen wir eine auffällige Mulde. Hier machen wir kurz Pause. Das Wetter ist nicht stabil, große Wolkenfetzen ziehen durch und man könnte meinen, dass es jeden Moment zu regnen beginnen könnte. Aber es blieb trocken, nur der Wind wurde je weiter wir nach oben stiegen stärker. 

Nachdem wir die letzten Höhenmeter schon teilweise mit dem Neuschnee kämpfen mussten, befanden wir uns jetzt im Winter. Ab hier steilt sich der Grat auf und ist auch immer wieder, an ausgesetzten oder schwierigeren Passagen, mit Stahlseile gesichert oder wird auf der Südseite umgangen. 

Auf einem großen Plateau, wo wir den Gipfelaufbau sehen konnten und das vermutlich vor ein paar Jahren noch den Gletscher aufnahm war der Wind stark. Wir zogen eine weiter Jacke an und querten dieses Plateau auf ein ostseitiges Joch, wo wir über Blockwerk und im Schnee stapfend kurze Zeit später den höchsten Punkt erreichten. Hat uns am Joch der Wind fast vom Berg geblasen, ist hier am Gipfel verhältnismäßig angenehm. Wir genießen die Aussicht und die Stimmung, die und die massive Bewölkung uns darbietet. Wie habe ich mal in einem Buch über Fotografie gelesen…“das schönste Bild ist wirklich erst mit der richtigen Bewölkung perfekt.“ Der Autor meinte, dass ein Landschaft-/Bergbild ohne Bewölkung langweilig wäre…

Nach einer kurzen Gipfeljause machten wir uns an den Abstieg. Mit Mütze, dicken Handschuhen und teilweise mit Gamaschen bewaffnet stiegen wir in unseren Stapfspuren hinunter zum Plateau und weiter zum oberen Ende des Westgrats. Ich fühlte mich wie auf einer Skitour im März. 

Auf bereits bekannten Weg kletterten wir das Blockwerk des Westgrats hinunter und kamen schnell wieder zum Aussichtspunkt Gahwinden. Froh, endlich das Blockwerk hinter uns gelassen zu haben, freuten wir uns auf ein Erfrischungsgetränk auf der gemütlichen Hütte. 

Auf der Terrasse konnten wir einen große Steinbockkolonie bestaunen. Richtig eindrucksvolle Tiere! 

Tag2:
Können wir uns wagen in den Mainzer Höhenweg einzusteigen? Große Passagen bestimmt mit bis zu einen halben Meter mit Neuschnee gefüllt. Nasser Fels und mit einer Gewitter im Rücken…das waren so Fragen, die uns am Abend nach unserer Hohen Geige Tour beschäftigten. Die Warnungen bezüglich des Mainzer Höhenwegs aus dem Internet kannten wir. Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Hüttenpersonal wollten wir es versuchen. 

Pünktlich um 5Uhr standen wir an der Eingangstür zum Frühstücksraum der Rüsselsheimer Hütte und konnten uns am reichlich gedeckten Frühstücks Buffett für unser Abenteuer stärken. Ich hatte es anscheinend mit dem Stärken zu gut gemeint, denn während des gesamten Anstiegs ins Weißmaurachjoch plagten mich Bauchschmerzen…

Etwa um halb 6 starteten wir zu dritt von der wirklich herzlichen und sehr zu empfehlenden Rüsselsheimer Hütte unsere Tour Richtung Braunschweiger Hütte beziehungsweise Mittelberg, bei der wir laut einer Beschreibung auf „Alpenvereinaktiv“  bis zu 14 Stunden brauchen werden. Naja, schauen wir mal was uns wirklich erwartet und wir brauchen werden. Am Nachmittag sind Schauer und Gewitter angesagt, die wollten wir eigentlich nicht auf dem Übergang miterleben. 

Wir steigen auf einer Gletschermoräne einen Steig ins Weißmaurachkar hinein. Angenehm angelegt auf der orographisch rechten Seite sollte der Weg der letzte sein, den wir die nächsten Stunden begehen werden. Denn der Übergang zur Braunschweiger Hütte ist nur markiert. Etwa hundert Höhenmeter unterhalb des Weißmaurachjochs verabschiedet sich ein Mitglied unserer Kleingruppe. Er fühlt sich nicht gut und will gemütlich zurück zur Hütte und im Tagesverlauf unser Auto nach Mittelberg umsetzen. Vielen Dank dafür. 

Also ging es zu zweit weiter Richtung Weißmaurachjoch. Im Oberen Drittel wurde es Weglos und wir folgten so gut es ging den rot-weiß-roten Markierungspunkten. Schotter über Schotter. Oftmals ging es nur ein Schritt vorwärts und zwei zurück. Es war schon ein gewisser Kampf dem losen Gestein zu trotzen. Schwer atmend stehen wir aber doch kurze Zeit später auf dem windumtosten Joch. Schnell eine weitere Jacke anziehen, eine kurzer Schluck aus der Trinkflasche und die Stöcke aus dem Rucksack, um im Schnee zwei weitere Haltepunkte zu haben. Rechts neben uns erhebt sich der mächtige Puitkogel, den wir die nächste Zeit neben uns haben werden. 

Auf einer Rampe steigen wir im schneegefüllten Blockwerk etwa 50 Höhenmeter hinauf, um dann den Markierungen zu folgen nach links hinauszuqueren. Auf der Nordostseite des Puitkogels queren wir auf etwa gleichbleibender Höhe zu einer weiteren Markierungsstange auf einer kleinen Scharte einige Rinnen ausgesetzt. Hier sollte doch jeder Tritt sitzen. Auf der Scharte angekommen, steigen wir auf die Sonnenseite hinüber und hangeln uns an einigen mit Ketten versicherten, glatten Platten zum ehemaligen nördlichen Puitkogelferner hinab. Wir queren im tiefen Schnee auf eine weitere mit Ketten versicherte Scharte. Immer den Markierungen folgend erreichen wir den sogenannten Frühstückplatz. Hier zieht steil eine mit Ketten versicherte Rinne zur ehemaligen Wirkungsstätte südlichen Puitkogelferner hinunter. Wir queren das mit Schutt und Schnee gefüllte Tal und erreichen die für mich schwersten Passagen des gesamten Höhenwegs. Mit losen Kettenstücken (un-)versicherte Gletscherschliffplatten werden unterhalb des Sonnenkogel abenteuerlich gequert. So ohne Kettensicherung ist das bestimmt eine Querung im dritten Grat. Die Schuttrinnen dazwischen sind mit Schnee gefüllt, sodass jeder Tritt in einer anderen Tiefe endet. Nicht nur einmal schrammte eines meiner Beine schmerzhaft an den unter dem Schnee verdecken scharfen kannten des Blockwerks. 

Aber auch diese Passage schafften wir eigentlich, bis auf ein paar Hautstückopfer ohne Probleme. Kurze Zeit später, quasi „just arround the Corner“ erreichen wir ein Schneefeld, über das wir ziemlich direkt zum Grat zwischen Sonnenkogel und Wassertalkogel hinaufgelangen. Auf dem Grat angekommen, blieb uns erst mal die Luft weg…zum einen, weil wir etwas überpaced haben und zum anderen wegen der Aussicht. Quasi die ganze Ötztaler Gipfelprominenz liegt vor uns… Ein Blick auf die Tourengebiete des Taschachhaus, der Riffelseehütte und der Kaunergrathütte… Wir bleiben einige Minuten stehen und genießen diese Aussicht. Was für ein Privileg! 

Wir drehen nach links und steuern in Richtung Wassertalkogel. Am Biwak will ich kurz was essen, denn nach dem üppigen Frühstück meldet sich mein Magen zu Wort. Wir klettern noch über Blockwerk und ein paar mit Ketten und Drahtseilen versicherte Gratabschnitte und erreichen kurze Zeit später den höchsten Punkt der Tour. Den Wassertalkogel mit dem futuristischen rot strahlenden Biwak. Wirkt auf mich irgendwie völlig unpassend in dieser Menschenleeren eintönigen, grau- und braunen Gegend. Aber als Notfallunterkunft sicherlich ein wichtiger Bestandteil. Das Biwak selbst ist aufgeräumt und gepflegt. Es sind Gasvorräte, ausreichend Decken und Töpfe vorhanden. Finde ich gut, denn ich habe schon andere Biwakschachteln gesehen.

Vom Wassertalkogel steigen wir südlich über ein Schneefeld wieder zum Grat ab. Jetzt sollten wir das Thema Schnee hinter uns haben. Schnell ist der nächste Gipfel, der Gschrappkogel erreicht. Danach wird der Weiterverlauf etwas unübersichtlich. Das eine oder andere Mal überlegen wir, gehen wieder zurück zur letzten Markierung, finden dann aber doch den logischsten Weg. Im stetigen auf und ab werden nach und nach Gratbuckel und Gipfelchen bestiegen. Mal geht’s nach rechts, mal nach links. Aber im groben folgen wir dem Gratverlauf. Wir machen kurz ein unterhalb des Wilden Mannle eine Trinkpause und bestaunen die Berge um uns herum. Die Wolken machen uns keine großen Hoffnungen, dass sich das angekündigte Schlechtwetter verzögert oder ausbleibt. Große Wolkentürme entfalten sich im Südwesten. Mal schauen wir lange es noch herhält. 

Wir starten wieder, denn wir wollen trocken bleiben. Der Höhenweg neigt sich Richtung nördlichem Pollesjöchl, wobei der Weg nun östlich der Grathöhe verläuft. Über riesige Blockwerkbrocken geht es mühsam springend und hüpfend von Scholle zu Scholle, stur den Markierungen folgend hinunter zum nördlichen Pollesjöchl. Am Wegweiser nehmen wir den Franz-Auer-Steig, der uns in die Silbergrube führt. Erst angenehm auf festem Untergrund, dann auf lockeren Moränenuntergrund mühsam hinauf zu einer Gratniederung die vom Pitztaler Jochköpfle herunterzieht. Das Wetter verschlechtert sich rapide. War soeben noch Sonnenschein, zieht jetzt, ein paar Minuten später aus dem Pitztal Nebel, der uns komplett einhüllt. Wir folgen den Markierungen über eine Schuttfläche und erreichen an deren Ende einen Klettersteigeinstieg. Wir checken das GPX, wir sind zwar abseits der Spur aber die Richtung stimmt. Wir stehen vor einem neugebauten Klettersteig, der im Nachhinein mit Sicherheit eine Schwierigkeit von B/C hat. Also dann Hand ans Seil und zieh…So erreichen wir nach etwa 60-80 Höhenmeter den obersten Punkt, wo wir in den Weg 918 zur Braunschweiger Hütte eindrehen können. Die Hütte können wir nicht sehen, aber hören und besonders riechen…Anscheinend ist auf unsere Seite die Kläranlage. Bäh… Nach knapp 7 Stunden stolpern wir auf die Terrasse und genießen Knödel und Radler im Gastraum. Als wir unsere Suppe bekommen, beginnt es zu regnen. Was für ein Timing!

Nachdem der kurze Schauer vorüber war, klarte es auf, der Nebel verschwand und so packten wir unsere Sachen und stiegen gen Tal Richtung Mittelberg. Die Luft blieb trotz des Schauers noch labil, so dann wir am Ende, kurz vor dem Parkplatz doch noch nass wurden.

Berglehner Jupp